Drei Freunde

Meister Eckhart

Die Linien des Lebens sind verschieden
Wie Wege sind, und wie der Berge Gränzen.
Was hier wir sind, kann dort ein Gott ergänzen
Mit Harmonien und ewigem Lohn und Frieden.

Hölderlin

Auch ohne ihm aufmerksam zuzuhören, wusste Aloys Zwyssig, was sein Vater in Bangkok machte. Aber zuerst, was sein Vater vorher gemacht hatte: Konzertpianist und Dirigent, mittelmässig erfolgreich in der europäischen Klassiklandschaft, Konzerte, Radio, Fernsehen, viele solide CD-Aufnahmen. Ein Wahnsinniger, der auswendig spielte, auswendig dirigierte, Gieseking Methode, alles im Kopf. Aloys' Zeugung war ein Versuch, eine entgleiste Ehe wieder auf die Schienen zu bringen. Zwischen einer deprimierten, pillensüchtigen Mutter und einem manisch arbeitssüchtigen Vater wuchs Aloys unbehütet auf aber nicht ungewöhnlich unglücklich. Seine Eltern stritten sich emotionslos, ohne sich anzuhören; seine Mutter lag im weissen Schleiflack-Schlafzimmer auf dem Bett vor einem von Jahr zu Jahr grösseren Fernsehgerät neben sich einen Nachttisch überhäuft mit Medikamentenschachteln; sein Vater frass in seinem von einem Bösendorfer Imperial dominierten Musikzimmer Partituren in sich hinein. Um Aloys kümmerte sich niemand. Es war ihm recht. Sie wohnten in einem fünfziger Jahre Einfamilienhaus in Meggen mit einer später angebauten Doppelgarage. Das Wohnhilfe-Mobiliar änderte sich nach dem Einzug nicht mehr. Sie hatten sogar eine Kuhfell-Liege. Aloys Kinderzimmer sah auf den Garten einer benachbarten Villa, wo zwei Schäferhunde bellten. Aloys schwamm im Vierwaldstättersee und hatte seine ersten sexuellen Erlebnisse in den Umkleidekabinen der Badeanstalt Meggen. Pubertät und Gymnasium überstand er dank des Desinteresses seiner Eltern problemlos. Aloys war gross, sportlich, und sah schnell die komische Seite einer Situation.

Als Aloys achtzehn war, hatte sein Vater sein spätes coming-out und zog nach Bangkok. Aloys' Mutter lag unverändert auf ihrem Bett vor dem Fernseher, unterdessen ein Plasma Monster, das Tausende gekostet hatte und sechzig Kilo wog. Aloys spielte auf dem braunen Bösendorfer seines Vaters statt auf dem weissen Schimmelklavier in seinem Kinderzimmer. Die Deutsche Grammophongesellschaft überwies Tantiemen. Warum studierte Aloys Theologie? Wollte er das Gegenteil seines Vaters machen? Bildete er sich ein, Theologie sei die Krone der Wissenschaften? Aloys gefiel, dass es eine Verlängerung des Gymnasiums war; ähnliche Fächer, keine Mathematik. Nach dem Theologiestudium trat er zur Probe in das Seminar Maria Immaculata ein. Das exzessiv renovierte Kloster war wiederum eine Verlängerung des Studiums, aber auch schon ein Schritt in die Kirche als Organisation und voll versteckter Absurditäten, über die Aloys nur mit seinem Freund Romano lachen konnte. Das Leben in der Gemeinschaft leicht effeminierter junger Männer sagte Aloys zu. Seine Mutter sah ihn in den Schuhen des Fischers, sein Vater als zukünftigen Erzbischof von Salzburg. Aloys hatte vom ersten Tag an nur Augen für Romano und träumte, ihn in einer seidenen Soutane zu umarmen.

Romano Matter war gross, mit grossem schönem Gesicht, grosser Nase, wundervollen dunkelblonden Locken, sinnlichen Lippen; zu sinnlich, unschuldig zu sein. Oft hatte er einen Hemdknopf mehr offen, als es sich für einen Seminaristen gehört. Romano behandelte Aloys auf eine Aloys unerklärliche Weise gleichzeitig freundschaftlich und unverbindlich, als ermuntere Romano Aloys, sich in ihn zu verlieben, um sich ihm dann zu entziehen. Als genügte Schönheit nicht, war Romano ein kräftiger Tenor. Das Studium fiel ihm leicht; mit dem Strom zu schwimmen, schien ihm angeboren. Wenn Romano in der Nähe war, konnte Aloys nicht anders, als ihn anschauen, so auffallend war Romanos Überlegenheit über die übrigen Seminaristen. Die Patres bevorzugten Romano, aber bevorzugten die Seminaristen selbst ihn nicht auch, weil er so schön war? Dazu war er intelligent, wach, verstand Spass und weigerte sich, an Intrigen teilzunehmen. Romano war ein Waisenkind, arm bei einer armen Tante in einem Schindelhaus in Schattdorf aufgewachsen; dass er in einem fremden Haus, im Zimmer eines jung verstorbenen Cousins, das Romano nie als sein eigenes betrachtete, aufgewachsen war, prägte ihn. Er sah sich schon als Ordenspriester, der mit einem schwarzen Presskartonköfferchen hingeschickt wird, wo es ihn braucht.

Dass Romano Karriere machen würde, schien seinen Mit-Seminaristen klar: Bischof, Kardinal, ein berühmter Missionar… die Seminaristen waren noch naiv.

Etwas anderes als Theologie zu studieren, stand für Romano nie zur Diskussion. Einmal begonnen, fand er das Studium eine Zeitverschwendung: nichts war ihm radikal genug. Die Laptop und PowerPoint Theologie ödete ihn an; aber das Seminar war bequem; niemand fragte nach dem Sinn. Selbstverständlich würde Romano Priester werden. Es gab französische Dominikaner, die ihm imponierten, und sein Vorbild, Meister Eckhart, hatte an der Sorbonne gelehrt.

Im übrigen langweilte Romano sich im Seminar. Er warf sich vor, zu faul zu sein, Konsequenzen zu ziehen. Er hielt den Mund und plante vage, in einem mystischen Orden in Algerien die Ruhe zu finden, die er suchte. Dass Aloys in ihn verliebt war, ertrug Romano gern, weil Aloys ein zuverlässiger Freund war.

Fritz Estermann war der dritte im Bund. Er war kleiner und kräftiger als seine Freunde und hatte dunkle Haare, die ihm strähnig in die Stirn hingen. In seinen braunen Augen flackerte ein schlechtes Gewissen. Fritz war in Aloys verliebt und bewunderte Romano. Fritz glaubte, dass Glaube feststellbar und ablesbar war wie Puls und Temperatur. Dass Fritz nicht wusste, ob er glaubte oder nicht, war ein erster Schritt in die Verdammnis: Er war der Gnade des Glaubens nicht würdig. Da seine Eltern ihn von Geburt an für den Priesterberuf vorgesehen hatten, hatte er nie an ein anderes als das Leben als Priester gedacht. Seine zwei jüngeren Brüder würden den Hof übernehmen. Dass er gescheitert war, brauchte ihm niemand zu sagen. Als Fritz nach den Herbstferien zu Pater Zahn bestellt wurde, verurteilte Fritz sich selbst schon zum Austritt aus dem Seminar. In Zahns zu grossem, zu hohem weissem Büro mit den dunkelblauen USM-Haller Möbeln fühlte Fritz sich verloren. Dass Zahn nichts in der Hand hatte, verstand Fritz nicht in seinem Abscheu vor sich selbst. Er nickte zu allem, was Zahn ihm vorwarf; war er nicht tausendmal verworfener, als Zahn ahnte? Während Zahn ihn nur für zwei Wochen nach Hause schicken wollte, gab Fritz schon auf. Was Zahn über Aloys sagte, kapierte Fritz nicht. Hatte er Aloys ohne es zu wollen der gleichen Vergehen beschuldigt? Fritz mass sich an einem Ideal, dem höchstens Romano gerecht wurde.

Mit seiner Sporttasche im Bus nach Buttisholz schien Fritz, dass die Leute im Bus sahen, dass und warum er aus dem Seminar gejagt worden war. Was konnte er seinen Eltern sagen? Würden wenigstens der Hund und die Kühe ihn verstehen? Wäre nicht besser, gleich Schluss zu machen? Gern hätte er mit Aloys gesprochen.

Fritzs Eltern hatten einen modernen Bauernhof. Das alte Bauernhaus betrieben sie als Restaurant mit Fremdenzimmern und wohnten in einem Einfamilienhaus daneben. Die Ställe waren neu. Fritz hatte Mutter, Vater und zwei jüngere Brüder. Obwohl er Priester werden sollte, half er willig mit auf dem Hof. Das Gespräch mit Pater Zahn warf ihn aus der Bahn. Fritz hatte geglaubt, seine sexuellen Probleme würden sich mit der Priesterweihe in Luft auflösen. Nun sah er keine Zukunft mehr für sich. Katechet wollte er nicht werden. Welche Schande! Sein Kinderzimmer von neun Quadratmeter war ein Gefängnis; das Fenster, der Schrank, Tisch und Stuhl hatten zu ihm gepasst, als er in die Kantonsschule ging; nun erinnerten sie ihn daran, wie oft er in diesem Zimmer onaniert hatte.

Fritz lag auf dem Bett. Was Zahn gesagt hatte, stürmte auf ihn ein, Vulgatafetzen aus dem Messbuch, Zeilen aus der Imitatio, Sätze, die er in seinem Homiletik-Heft unterstrichen hatte… alles verdammte ihn. Ein schlauerer Bursche als Fritz hätte gemerkt, dass die drastische Strafe in keinem Verhältnis zur banalen Sünde stand, doch Fritz kniete innerlich vor etwas, was grösser war als er. Statt, wie von ihm erwartet, eine gesunde Doppelmoral zu entwickeln, und äusserlich reumütig, innerlich gestärkt ins Seminar zurückzukehren, verlor er alle Hoffnung auf Gnade und Verzeihung. Ihn erwartete das Inferno. Ausser Aloys und Romano verstand ihn niemand; und was sie ihm sagten, verstand Fritz nicht. Denken half nichts, nur arbeiten. Er zog seine Überhosen, eine blaue Fleecejacke und die verführerisch nach Gummi riechenden Stiefel an. Dass es regnete, war ihm recht.

In Pattaya… nachdem Aloys die Fahrt vom Flugplatz nach Pattaya lebend überstanden hatte… Nueng [Aloys' Vaters driver] fuhr den gelben Toyota pickup, als ob er eine Schwangere ins Spital brächte… in Pattaya wollte Aloys den Stress mit Zahn vergessen. Thai food würde ihn bald langweilen, wusste er von seinem letzten Besuch bei seinem Vater. Jomtien ist ein Kaff mit ein paar sympathischen schwulen Bars, anderthalb italienischen Restaurants, rasch alternden Wolkenkratzern in denen schwule Rentner darauf warten, dass ein Strichjunge auf Meth sie aus dem zehnten Stock wirft oder der zu hohe Blutdruck und Diabetes sie umbringen. Davor ein Strand mit bierbauchigen Männern in Badeslips ein paar Nummern zu klein. Nachmittags spielen fröhliche freelance Strichjungen aus Nordost-Thailand Volleyball. Schmutziges Wasser wellt auf schmutzigen Sand. Während im Zentrum von Pattaya die Frühstücksbuffets der Hotels längst in kyrillisch angeschrieben sind, ist Jomtien anständig geblieben: Hier spricht man deutsch, wenn nicht Schweizerdeutsch, und entkommt dem nordalpinen Winter, während man für ein halbes Jahr Sex tankt.

Aloys' Vaters Villa in Jomtien war eine von zwanzig Villen eines village ein paar hundert Meter vom Strand. Im Living stand ein elektronischer Flügel, die Möbel waren aus dem Central Departement Store in Silom; die Bilder von einem Künstler, der in Pattaya eine Galerie hatte und lächelnde Buddhas, Sonnenauf- und Untergänge, Papageien, nackte Frauen und auf Wasserbüffeln reitende nackte Kinder mit verblüffender Handfertigkeit produzierte.

Wäre Aloys an dem Tag, als gemäss Zahn Fritz ihn verpfiff, in Stimmung gewesen, hätte er sich rausgeschwatzt; Reue, Tränen, Rosenkränze, aber dass Zahn Fritz rausgeekelt hatte, demotivierte Aloys… sein Elternhaus hatte ihn konditioniert, unter Druck in Passivität zu verfallen; Aloys gab nichts zu. Dass Fritz ihn beschuldigt hatte, glaubte Aloys nicht. Fritz sah Gespenster. War Aloys schuld, dass Fritz so dumm war, etwas zuzugeben? Während Pater Zahn Aloys abkanzelte wie einen Gymnasiasten, fragte sich Aloys, wie ein wendiger Intellektueller wie Pater Zahn SJ glauben konnte, dass Aloys das Theater ernst nehme. Wenn Zahn Aloys loswerden wollte, dann adé Monsignore und seidene Soutanen, adé Rom und am Stadtrand aufgelesene Stricher… in den Ferien hatte Aloys den indizierten Pasolini gelesen, sein Vater hatte die Bücher gekauft und nicht gelesen… Warum sich um etwas zanken, an dem Aloys nichts mehr liegt? Wenn sie Fritz rausschmissen, dann wollte Aloys nicht bleiben. Warum zu Kreuze kriechen, bereuen, beichten? Unkeusche Gedanken, Onanie, Pasolini, Cadinots Vatikanfilm? War die Kirche nicht das Grosse Welttheater, wo jeder seine Rolle rezitiert und von dir nur erwartet wird, dass du nicht aus deiner Rolle fällst? Unkeuschheit und Unwahrheit sind banaler Alltag, die Beichte ein Ritual… letztlich geht es nur um den Fortbestand der Kirche. Ist Glaube transsubstantiiertes schlechtes Gewissen? Wie hält Romano das aus? Kann Aloys nicht irgendwo irgendwas machen? Eine Rucksackreise in Südamerika, Indios mit Paradiesvogelfedern im Haar… Oder ein grossgewachsener verschleierter Tuareg…

Fritzs Abgang überraschte Romano. Konnte Zahn nicht sehen, dass Fritz für die Priesterschaft prädestiniert war? Warum warf Zahn nicht Romano raus, der nicht mehr glaubte, dass Glauben nötig ist? Romano mischte sich nicht ein; wenn er den Mund öffnen würde, würde er verraten, dass er nur glatt durchkommen wollte. Dass Aloys den Koffer packte, verwunderte Romano weniger, aber es tat ihm leid. Aloys war voller Widersprüche, zynisch und gut zugleich. Romano würde ihn vermissen, doch solange WhatsApp im Seminar erlaubt war, ging die Welt nicht unter.

Romano las Eckharts nun nicht mehr verbotene Predigten. Meister Eckhart und Dante Alighieri waren Zeitgenossen; war 1300 der Apex der abendländischen Zivilisation? Nach der Reformation versuchten die Theologen Eckharts Häresie wegzuschwatzen, dabei war das Wunderbare an Meister Eckhart genau das häretische; dass er erkannte, dass die letzte Wahrheit keine Konfession hat.

Fritz vergrub sich in der Arbeit auf dem Bauernhof. Wem konnte er in die Augen sehen? Er weinte im Stall und wollte sich mit einem Kälberstrick erhängen. Er traute sich selbst nicht mehr. Romano und Aloys texteten ihm, das Seminar sei nur die halbe Welt. Verdammt zu sein, war Fritz unerträglich; Messe und Kommunion fehlten ihm. Genügten Romano und Aloys ihren eigenen Anforderungen? Romano war besser! Aloys sagte, ein guter Priester sei wie ein Besen, der selbst schmutzig ist, aber Reinheit hinterlässt; doch Fritz war nicht Aloys.

Mit seinem Vater zusammen brachte Fritz ein Kalb zur Welt. Wenn sie beide arbeiteten, schien sein Vater die Schande zu vergessen, die Fritz über die Familie gebracht hatte. Seine Mutter hatte Fritz gesagt, dass sein Vater früh geheiratet hatte, weil er es schwierig fand, unverheiratet zu leben.

Wie viele Menschen werden pro Jahr von den Kokosnüssen erschlagen, die schwer über Aloys' Kopf hingen? Er lag am Pool in Jomtien. Mai [einer der caretakers] fragte Aloys, ob er fried rice chicken oder fried rice egg wolle, und brachte ihm geschickt geschnittene tropische Früchte. Aloys' von der Sonne im Auto geröteten Unterarme und Handrücken erinnerten Aloys daran, dass er in Thailand nicht zu Hause war. Er las eine Mahler-Biographie, die sein Vater rumliegen liess. Vom Pool aus gesehen schien diese schwere Musik absurd: es war zu heiss dafür. Mahler war ein Getriebener wie Aloys' Vater, arbeitssüchtig, unglücklich; heldenhaft stemmte er die Wiener Staatsoper, heiratete die schönste Frau Wiens… um was zu beweisen? Für ein Staatsbegräbnis, um das ihn Thomas Mann beneidete? War Mahler insgeheim schwul? Wusste Mahler es selbst nicht und ist vor seinem coming-out gestorben?

Nachher lag Aloys im Gästezimmer. Fritz [den sie rausgeschmissen hatten, weil er nachts auf seinem iPhone schwule Pornovideos schaute und so blöd war, es zuzugeben] tat ihm leid. Würde Fritz nach einer tränenreichen Gewissenserforschung bereuen, beichten und zu Kreuze kriechen? Der Chor des Seminars brauchte Fritzs Bassstimme. Aloys war kein guter Sänger; Organisten hatten sie im Seminar genug. Aloys vermisste sein aufgeräumtes Seminarzimmer mit dem grossen Fenster auf den Garten, die Vögel am Morgen, die Tagesordnung, die einen trug. Wenn Aloys wieder Romanos Nacken anschauen dürfte, würde er dafür Pater Zahns wissendes Lächeln aushalten? Seine zuckersüsse Güte? Die Eucharistie ist die Lösung. Aloys sehnte sich nach Romano. Sündigte Romano lustvoll und bereute aufrichtig? Oder war er ein Heiliger? Aloys hörte ihn nie einen obszönen Kraftausdruck verwenden. Aloys gab sich zwei Wochen Zeit zu wissen, ob ihm Romanos Nähe wert war, Pater Zahn einzuseifen.

Fritz arbeitete im Laufstall. Seine Eltern und Geschwister stellten keine Fragen mehr. Er wusste, dass sie sich schämten, im Dorf gesehen zu werden. Fritz hatte nicht nur selbst versagt; die ganze Familie hatte ihre Ehre verloren. Fritzs Mutter hatte gewünscht, Priestermutter zu werden. Seine Mutter zu enttäuschen, brach ihm das Herz. Er war ein Schwein. Er konnte es nur wieder gut machen, indem er sich tötete. Aber selbst dazu war er zu feige; statt sich aufzuhängen, schaute er nachts Videos und onanierte. Da er sowieso verdammt war, kam es noch darauf an? Verachteten ihn Romano und Aloys?

Romano wollte sich nicht einmischen, aber Fritz war ein Freund. Romano wusste, dass Fritz auf Aloys hören würde. Romano schickte Aloys eine Message, Fritz sei so verzweifelt, dass er sich umbringen wolle.

Ohne [seinen Vater] Yngve zu fragen, lud Aloys Fritz ein, nach Thailand zu kommen. Was konnte Aloys mit Fritz anfangen? Aloys lag in Yngves Gästezimmer neben ihm ein riesiger Spiegel, über seinem Kopf ein handgemalter Sonnenuntergang in groben Abstufungen von hellem Gelb bis Nachtschwarz. Die Klimaanlage blies kühle Luft. Aloys sah die unglückliche Symmetrie von Fritzs unerwiderter Liebe zu ihm und seiner unerwiderten Liebe zu Romano. Setzte sich die Serie wie Dominosteine fort rund um die Welt? Liebte auch Romano jemanden, der ihn nicht liebt?

In der Schweiz hatte Aloys vergessen, wie heiss es in Thailand ist, und, dass es in Pattaya nichts zu tun gibt. Wird ihn Fritzs Naivität unterhalten? Die zwei jungen Thais in Yngves Haus verpassten keine Gelegenheit, Aloys nur mit einem dünnen Badetuch um die nassen Hüften in die Quere zu kommen. "Khun Aloys, what do you like?" Was gefiel ihm? Sie lachten, "top or bottom?" und rannten weg. Er hielt sie für ein couple und wollte ihre Beziehung nicht stören. Thailand war voll hübscher junger Männer und Yngve hatte gesagt… Wenn Aloys wieder im Seminar wäre… dann was? Würde Aloys reichen, Romanos Lächeln zu sehen, seine Stimme zu hören?

Fritz sah keine Zukunft mehr für sich, aber Thailand lockte ihn. Weiss Aloys, was Fritz machen soll? Fritzs Familie war recht, dass er verreiste. Woher hatten Aloys und Romano ihre Zuversicht? Fritz wusste, was ihn nach Thailand zog. Er war ein schlechter Mensch. Im Flugzeug sah er hübsche junge Thais. Er tagträumte… Er wünschte sich, dass jemand sein Leben in die Hand nehmen würde, ohne dass er sich schuldig fühlen müsste… ein kräftiger junger Mann, der ihn liebte…

Yngve, Aloys Vater, hatte mehrere lovers, die ihn eifersüchtig bewachten, was Yngve nicht hinderte, in seinem verrauchten Büro eine abgenützte casting couch zu haben. Mit jemand Sex zu machen, den Aloys nicht liebte, hatte Aloys noch nicht gelernt. Wenn ihn einer der jungen Männer, die Yngve umgaben, küsste, fühlte er sich, als küsse ihn eine weither angereiste Tante mit feuchten Lippen. Aloys träumte von Romano. Um Fritz machte er sich keine Sorgen. Fritz war ein Bauer, dessen Haus abgebrannt war. Er würde überleben.

War das Seminar bizarr oder absurd? Romano liess sich treiben. Die Glocke sagte, wo zu sein, was zu tun. Die Patres erwarteten, dass man tat und sagte, was von einem erwartet wurde. Romano war entschlossen, mitzuspielen bis zur Priesterweihe. Aus Eitelkeit? Aus Ambition? Kontemplation zog ihn an. Da der Unterricht nichts von ihm verlangte, verbrachte er seine Zeit damit, in der Kapelle seine Gedanken zum Stehen zu bringen. Meister Eckharts Weisheit ist in seinen Predigten verborgen, wie ein weiter Mantel, der mit einzelnen Edelsteinen verziert ist.

Als Fritz in Bangkok landete, regnete es. Aloys und Nueng holten ihn am Flughafen ab. Fritz weinte, als er Aloys sah. Nueng fuhr wie ein Henker hin und wie ein Besessener zurück. Sie assen zu dritt unterwegs. Die schwüle Hitze und das ungewohnte Essen lenkten Fritz ab. In Pattaya hiessen ihn Mai und Nit willkommen. Beide waren hübsch und lachten ihn an. Vom Nachtflug war Fritz müde und schlief bald auf einem deck-chair am Pool.

Am Abend gingen Aloys und Fritz ans Meer. Fritz fragte, "was soll ich jetzt machen?"

"Vergiss alles für zwei Wochen; nachher schauen wir weiter."

Fritz schlief in Aloys Zimmer. Es hatte nur ein breites Bett. Solange sie wach lagen, schwärmte Fritz von der Muttergottes, aber unter der Decke suchten Fritzs Bauernhände nicht die Muttergottes. Fritz tat Aloys leid. Mitten in der Nacht begann Fritz zu heulen wie ein kleines Kind. Aloys liess Fritz in seinen Armen einschlafen.

Am Morgen gingen Aloys und Fritz im Regen in die Sankt Nikolaus Kirche. Die Kirche sah europäisch aus, aber alles war in Thai. Die Messe tat Fritz gut. Der Regen wusch ihm die Tränen ab. Sobald der Regen stoppte, wurde es feuchtheiss wie in einem Dampfbad. Später lagen sie am Pool. Fritz beichtete Aloys alle seine… waren es Sünden oder Abenteuer? … seit der Primarschule. Fritz und seine Bauernbubenfreunde hatten eine unschuldig verdorbene Fantasie.

Am Abend brachte Yngve Korn mit. Hatte Aloys bei seinem letzten Besuch in Bangkok gesagt, dass ihm Korn gefiel? Korn war mittelgross, muskulös, mit einem rasierten Mönchskopf, intelligent und fröhlich.

Korn sah, dass es dem neuen farang schlecht ging, und nahm Fritz in die Arme, "relax, baby, everything is okay". Bald zog Korn Fritz in ein leeres Zimmer. Fritz lag weinend in Korns Armen. Korn spielte lächelnd mit Fritzs blonden Haaren. Dachte Korn, "alle Weissen sind verrückt"? Als ihm Korn die Surfshorts schon bis zu den Knöcheln runtergezogen hatte, sagte Fritz zu Korn, "ich will keinen Sex!"

"Aber ich will Sex mit dir!"

Fritz leistete keinen Widerstand. Korn verführte ihn lachend. Korn war alles, was Fritz geträumt und in Porno Videos gesehen hatte, und noch mehr, denn Korn lachte, liebte Sex, genoss mit dem farang zu spielen, der wie ein Kind war. Fritz vergass, was er mit seinen Kameraden in Buttisholz gemacht hatte; Korn war aus anderem Holz geschnitzt. Für Korn war es fun, für Fritz eine Hochzeitsnacht. Dass Korn Routine hatte, ging Fritz nie auf. Fritz glaubte, Korn liebe ihn, weil Fritz liebte, was Korn mit ihm machte.

Yngve fragte Aloys, "soll Korn hierbleiben?"

"Ja, für Fritz."

In Korns Lachen sah Aloys etwas neues, aufrichtige Sympathie, die Sex umfasste. Aloys war Korn dankbar, dass er ihm Fritz abnahm… War Korn bei Aloys' letztem Besuch ein sympathischer Thai gewesen, wenn auch kein besonders hübscher, sah Aloys nun in Korns Gesicht caritas. Korn lachte Aloys an, als sähe er die Gedankenfische im Aquarium von Aloys' Hirn schwimmen. Aloys vertraute ihm.

Fritz und Korn schliefen in einem halbleeren Zimmer, in dem nur ein grosses Bett stand und ein gewelltes Polstermöbel mit rotem Kunstleder bezogen, dessen Zweck Fritz nicht klar war. Die Wände waren rot lackiert und die Decke über dem Bett verspiegelt. Korn verführte Fritz lachend zu allem, was Fritz nur von Porno Videos kannte. Fritz sagte Korn, er liebe ihn, doch er liebte nur, was Korn mit ihm machte.

Am Morgen heulte Fritz, "ich habe gesündigt," und spielte doch nachher mit Korn und Aloys im Pool und ass pad thai mit dem Hunger eines Menschen, der seinen Kummer zu Grabe getragen hat. Als sein Teller leer war, fragte er Aloys, "was soll ich jetzt machen?"

"Mai bringt noch Früchte… Was hältst du von Korn?"

"Ich habe ihm nicht widerstehen können. Ich bin verworfen. Er ist ein wunderbarer Mensch, der leibhaftige Versucher. Er ist nicht Christ, nicht wahr? Verachtest du mich jetzt? Zahn hat gesagt…"

"Zahn & Co. sind ein bigotter Haufen, die sich ihre Sünden selbst vergeben und Menschen wie dich, die nicht lügen können, zur Schnecke machen. Was hat Romano gesagt?"

"Romano hat mir getextet, "cabaret… nimm es nicht ernst. Du bist ein guter Mensch."

"Wie hält Romano das aus?"

"Romano ist nicht der Mensch, den du denkst. Er ist nur im Seminar, weil es der letzte Wunsch seiner Mutter war, dass er Priester werde."

"Woher weisst du das?"

"Er möchte Schauspieler werden. Er hat es mir selbst gesagt."

Aloys dachte: Der Heilige ein Schauspieler! Ein Theatervorhang wurde aufgezogen… Hoffnungen erwachten, Romano küssen zu dürfen, auch wenn Aloys wusste, dass Fritz Romano missverstanden hatte.

Yngve kam mit einer brennenden Zigarette und einer Büchse Heineken an den Pool. Es windete und hatte geregnet. Die nassen Palmfächer schwangen im Wind. Yngve redete auf Fritz ein. Yngve hatte mit der Kirche nichts am Hut. Plötzlich fragte Yngve Aloys, "willst du den Laden hier übernehmen?"

"Ich kann nicht Thai."

"Ich konnte auch kein Thai, als ich hier ankam." Yngve zählte auf, was ihm und seinem Partner, der älter war, und gesundheitlich noch schlechter dran, gehörte, dann die Leute, die Aloys kennenlernen musste, um seinen Laden hier zu übernehmen, als hätte sich Aloys schon bereit erklärt, seinen Laden hier zu übernehmen, dabei war Aloys in Gedanken bei Romano.

Fritz nippte unterdessen mit gerötetem Gesicht an einem Heineken. War es wahr, wie Yngve sagte, dass es in Thailand keine Sünde gibt? Die Schweiz schien weit weg. Nur nicht zurückdenken! Korn half ihm mehr als die Psychologin im Seminar.

Korn sass am Rand des Pools mit den Füssen im Wasser und spielte mit seinem iPhone. Die farangs dachten zuviel und machten alles nur halb. Yngve war ein guter Mensch. Aloys gefiel Korn. Sie lachten über dieselben Dinge.

Aloys war versucht, Yngve zu antworten, "wenn Korn mir hilft," doch, wenn Aloys Korn anschaute, kam ihm Romano in den Sinn, nach dem er sich sehnte.

Gegen Mittag brachte Nueng Aloys und Fritz zum Big C. Korn und Aloys machten aus dem versottenen ex-Seminaristen Fritz einen attraktiven jungen Weissen in Shorts, Flip-Flops und einem Polo, mit gut geschnittenen Haaren. Korn lachte und wählte auch für Aloys Kleider aus. Ein frischer Haarschnitt tat auch Aloys gut.

Fritz sagte zu Aloys, "ich kann nie wieder zurückgehen. Was soll ich machen?"

Heirate Korn und arbeite irgendwas, was dir Freude macht! Obwohl Aloys Yngves business widerstand, lag ihm heute Bangkok näher als Luzern und Fritzs Muttergottes, vor der Fritz wie vor einem Wegkreuz kniete. Würde das Seminar Fritz seiner Bassstimme wegen wiederaufnehmen? Wollte auch Aloys zurück? Er schickte Romano ein Bild von Fritz mit Korn, "Fritz ist hier. Es geht ihm besser. Mach dir keine Sorgen!"

Sie assen fried noodles im food court. Korn ging mit Yngves Geld sparsam um. Rund um sie sassen junge Familien und Angestellte des Shopping-Centers. Der pad thai Stand klapperte mit grossen Stahlkellen. Korn mischte für Aloys und Fritz die Nudeln mit dem Gemüse und den gerösteten Erdnüssen.

Romano antwortete, "ich beneide euch!"

Romano vermisste Aloys und Fritz. Im Seminar war man selten allein, doch was ihm an sich selbst missfiel, das glatt durchkommen, störte ihn auch an seinen Mit-Seminaristen. Sie hatten gelernt, was zu sagen, und was nicht; wie in einem Menuett lächelte man sich zu, gab sich die Hand, und verriet nie, was man dachte. Wenn man fünf Jahre studiert hat, will man nicht rausfliegen, weil man den Mund nicht halten konnte. Maria Immaculata war ein Minenfeld. Romano informierte sich im Internet über kontemplative Orden für den Fall, dass er es nicht mehr aushielt. Doch das eine Kloster braute Bier, das andere brannte Likör, das dritte züchtete Fische, keines schien daran zu glauben, dass ein Mönch, der sich nihtesniht annemet, ein Stück Brot und einen Teller Suppe wert waren.

Aloys vermisste Romano… Ausserhalb des Shopping-Centers konnte man kaum ein paar Meter zu Fuss gehen. Es war zu heiss und der Verkehr war chaotisch. Korn winkte einem Tuk-tuk. Bald sassen sie in einer Gartenbar in Jomtien, die Korn vorgeschlagen hatte. Die hübschen jungen Männer in der Bar fragten Aloys, ob Fritz sein boyfriend sei. Korn fragte Fritz, "welcher gefällt dir?" Warum fragte Korn nicht Aloys? Gefiel einer Aloys oder gefiel ihm Korn besser? Was würde Romano von Aloys denken? Dass er zu Korn sagen könnte, "der gefällt mir", verwirrte Aloys. Und was dann?

Wieder am Pool fragte Fritz Aloys aus. Was konnte Aloys sagen? Die Jungen in der Bar waren freelancers und professional boyfriends… Yngve hatte behauptet, sein Partner und er hätten zweihundertfünfzig boys. Mehr als hundert waren es bestimmt. Wollte Aloys seinen Laden hier übernehmen? Was war so interessant daran, mit vielen verschiedenen Männern Sex zu machen? Was war so interessant an Sex? Was dachte Romano über Sex? Aloys möchte mit ihm sprechen… da summte sein Phone.

Als nachts jemand in Romanos Zimmer kam, nachdem Aloys das Seminar verlassen hatte, wusste Romano, dass es nicht Aloys war. Das änderte alles. Dass Romano nachts in sein Zimmer kam, hätte Romano nicht gestört, den selbst war er zwischen dem Wunsch nach körperlicher Nähe, Sucht nach und Furcht vor Sex hin- und hergerissen. Mehrmals hatte er von Aloys unkeusch geträumt. Wenn Romano wach war, wusste er, was er nicht wollte, doch hätte er nachts und im Halbschlaf Romano widerstanden?

Es konnte nicht Aloys sein. Romano wachte ganz auf, erkannte Zahn am Geruch und dann am Profil im Mondlicht des offenen Fensters. Romano wollte wütend werden und etwas sagen, doch bevor er den Mund öffnen konnte, ging ihm auf, dass dies der perfekte Grund war, das Seminar zu verlassen, morgen, sofort. Er empfand ein Glücksgefühl, und musste sich fast mit Gewalt sagen, dass er kampfbereit zu sein hatte. Er wollte etwas sagen, doch Zahn drehte sich ab und glitt aus dem Zimmer.

Romano fühlte sich erlöst. In Gedanken packte er seine Sachen zusammen. Er wusste, welche Bücher er hierlassen wollte und welche Kleider. Wohin konnte er gehen? Es tat ihm leid, seine Tante zu enttäuschen. Der Pfarrer war cool; dürfte er dort ein paar Tage bleiben? Gab es ein Kloster, wo er eine Zeitlang wohnen könnte? Dominikaner, Benediktiner, Franziskaner, Zisterzienser, Trappisten… Ein Waisenhaus, das einen Lehrer brauchte?

Am Morgen schickte Romano Aloys eine Message: "Letzte Nacht ist jemand in mein Zimmer gekommen. Ich ziehe aus."

"Wer?"

"Egal. Ich muss hier raus!"

"Komm nach Thailand! Hast du einen Pass? Schick mir ein Bild davon!"

Aloys schickte Romano Geld und ein Flugticket.

Nach ein paar Tagen holten Nueng, Korn, Fritz und Aloys Romano am Flughafen ab. Er sah müde aus und dankte Aloys, "ich bin froh, dass du mich eingeladen hast, ich hielt es nicht mehr aus und zu meiner Tante wollte ich nicht. Kann ich hierbleiben?"

"Hierbleiben?"

Romano deutete mit den Augen auf Fritz, "ich erzähle dir später, was passiert ist." Korn nahm Romanos Gepäck, "willkommen in Thailand!"

Sie rasten vom Flughafen nach Pattaya. Nit und Mai verbargen nicht, dass Romano ihnen gefiel; sie verwöhnten ihn mit Essen, Früchten und Aufmerksamkeit. Vor Fritz sagte Romano nur, "ich habe es nicht mehr ausgehalten… Ich will hierbleiben."

Korn war farangs gewöhnt. Sie wussten alles und hatte keine Ahnung. Fritz hatte in einer Universität studiert, aber war wie ein Junge, der zum ersten Mal Sex hat. Fritz wollte alles ausprobieren und heulte nachher. Solange Yngve ihn bezahlte, war es Korn recht, Fritzs Freund zu sein. Korn mochte Fritz, auch wenn Fritz so mit sich selbst beschäftigt war, dass er Korn nicht sah. Aloys gefiel Korn besser, weil er wie Korn die Welt zum Lachen fand.

Fritz schlief mit Korn in dem halb eingerichteten Zimmer. Während Korn mit Fritz Geld verdiente, um die Schulden seiner Eltern zu bezahlen, war Korn für Fritz das Floss, an dem er sich festhielt. Dass Korn mit ihm machte, was Korn wollte, enthob Fritz aller Verantwortung. Er ergab sich seinen Gefühlen, Korns Händen und Korns Körper. Korn führte Fritz in eine Welt, wo die Probleme, die Fritz zehn Jahre des Lebens versauert hatten, nicht existierten. Sex war fun.

Romano schlief bei Aloys, "schon mehrmals hatte ich das Gefühl, dass nachts jemand in mein Zimmer kam, und ich dachte, du seist es, darum habe ich nichts gesagt…"

Aloys wagte nicht, Romano zu berühren, "warum hast du gedacht, dass ich es sei?"

"Ich dachte, du seist verliebt in mich… stimmt es?" Romano drehte sich zu Aloys. Aloys spürte die Wärme und den Duft von Romanos Körper. Seine frisch gewaschenen Haare rochen nass.

"Ja, aber ich war es nicht. Wer war es?"

"Zahn, ich kenne seinen Geruch, ich sah sein Profil im Mondlicht."

"Was wollte er?"

"Das interessiert mich nicht. Mir reichts. Schon im Internat waren sie hinter mir her. Kann ich hierbleiben? Dein Vater hat ein Geschäft, kann ich für ihn arbeiten?"

"Mein Vater hat ein paar schwule Bars und ein schwules Guesthouse. Willst du da arbeiten?"

"Warum nicht? Bin ich nicht hübsch genug?"

"Und was ist mit mir?" Aloys rückte näher zu ihm.

"Wie sehr bist du verliebt in mich auf einer Skala von eins bis zehn?"

"Neun bis zehn."

"Kann ich dir etwas sagen, was dich vielleicht verletzen wird? Du bist mein bester Freund, aber ich bin nicht interessiert."

"Gut, dass ich es nicht versucht habe."

"Ich will nicht, auch mit Frauen nicht. Ich dachte im Seminar sei ich sicher, aber jetzt ist das mit Zahn passiert… eigentlich ist nichts passiert, aber ich kann nicht zurück… Warum bist du gegangen?"

"Vielleicht wollte Zahn mich nur erschrecken, aber als er Fritz heimschickte, der sich nicht wehren kann, hatte ich keine Lust mehr. Meinen Eltern ist egal, dass ich rausgeflogen bin."

"Meiner Tante nicht."

"Was hast du gesagt?"

"Die Wahrheit, dass nachts jemand in mein Zimmer gekommen ist und ich abgehauen bin."

"Du bist einfach abgehauen?"

"Ich bin zu unserem Pfarrer gegangen, dem ich vertraue."

"Was hat er gesagt?"

"Wenn ich zurückgehen wolle, solle ich zurückgehen; wenn ich nicht zurückgehen wolle, solle ich etwas anderes machen. Er würde mir helfen. Im Seminar hat es gekracht; ich will hierbleiben."

"Warum hier?"

"Wie wir gelandet sind, hat mir etwas gesagt, hier bin ich richtig. Nichts ist mir fremd. Ich will hierbleiben."

"Schläfst du? Schlaf gut! "

Romano schlief schon. Aloys war versucht, den Schlafenden zu küssen, doch er widerstand; Romano war ihm zu kostbar.

Romano wachte früh auf. Aloys Vater betrieb schwule Nachtklubs! Romano lachte, vom Regen in die Traufe! Die Welt war fair! Er dachte an Meister Eckharts Bettler, der nie einen unglücklichen Tag hatte, und vertraute, dass sich alles zum Guten fügen würde.

Dass Fritz Korn nicht widerstehen konnte, wunderte Romano nicht. Korn war sexy. Aloys zog Romano an, aber Romano liess den Wunsch nach Zärtlichkeit nicht aufkommen: waz an dir und in dir ist, ez ist allez gar siech unde verdorben. Er wusste, dass Leute nach Thailand flogen, um meditieren zu lernen. Zahn war ein glücklicher Zufall, und dass Romano jetzt in Thailand war, ebenso.

Am nächsten Tag kauften sie im Big C einen Thai-Kurs für Romano, und ein ABC-Heft mit dem Thai-Alphabet. Auch für Romano kauften sie T-Shirts, Shorts und Flip-Flops. Romano liess seine Haare im neusten Thai Stil kurz schneiden. In den Gängen des Shopping-Centers flanierten Gruppen von High School kathoeys [sissies], die Romano anstarrten wie einen Filmstar: ein grosser junger, hübscher Weisser, der mit blitzenden Zähnen lächelte. Korn, Mai und Nit sagten, dass Romano suay [hübsch] sei; niemand fragte ihn, top or bottom?

Als Yngve zum Mittagessen kam, fragte Romano, ob er für ihn arbeiten könne; er wolle in Thailand bleiben. Aloys unterbrach gleich, dass Romano nicht verstehe, was Yngves Geschäft sei. Yngve fragte, "wollt ihr meinen Laden hier übernehmen?"

Für einen Augenblick hatte Aloys eine Vision von Romano mit hundert Strichjungen wie Don Bosco mit seinen Waisenknaben. War es möglich? Wollte Don Boscos seine Strassenjungen zu guten Christen und ehrlichen Bürgern erziehen, weil sie weder das eine noch das andere waren?

Yngves Laden… könnte Aloys den Laden übernehmen? Hundert boys? Drei mamasans? Zehn captains in zu engen schwarzen Hosen und weissen Hemden? Konnte Aloys mit Menschen umgehen? Romano war ein natürlicher Führer; hat je jemand auf Aloys gehört? Das nackte Gewühl hinter der Bühne… Armut, Elend, Begierde. Ein paar boys, die ihm gefielen wie Korn…

Nit und Mai schliefen am Nachmittag auf einem breiten mit einer Matte belegten Holzbett unter dem weit vorspringenden Dach. Yngve und Romano sassen am Pool im Schatten. Yngve redete rauchend und Heineken-trinkend auf Romano ein. Romano hörte zu wie ein Beichtvater. Aloys war Yngve dankbar, dass er Romano und Fritz einladen durfte. Korn spielte mit Fritz Jenga.

Später liess sich Yngve nach Bangkok zurückfahren. Romano sprach mit Fritz; Aloys hörte ihnen halb zu. Romano redete wie ein Pfarrer… Aloys spürte, dass Fritz sich verloren glaubte. Romano sagte kein böses Wort über das Seminar. Kein Wort über Zahn. Als ginge Romano das Seminar nichts mehr an, als wäre die Kirche irgendeine Kirche unter vielen anderen und was passiert ist belanglos, das einzige Problem, dass Fritz unglücklich war.

Aloys schlief auf dem Liegestuhl ein und träumte, Korn nehme ihn in die Arme. Als Aloys die Augen öffnete, lachte Korn ihn an, als wüsste er, was Aloys geträumt hatte. Romano versuchte, die Thai Schrift zu lernen. Korn sagte Romano die Namen der Silbenzeichen vor… ko wie Hahn, kho wie Ei, go wie Flasche, gho wie Wasserbüffel…

Korn fragte Aloys, "sollen wir morgen ein Kloster besuchen?"

Aloys sagte ja. Darauf gingen Korn, Nit und Mai mit Nueng einkaufen. Nit und Mai würden morgen früh für die Mönche kochen und wollten vor zehn Uhr im Kloster sein. Fritz fragte, "was für ein Kloster?"

"Ein Thai Kloster; buddhistisch, hier sind die meisten Buddhisten."

"Dürfen Christen reingehen?"

"Wir gehen alle zusammen, nur kurze Hosen sind nicht erlaubt."

Nachts lagen Romano und Aloys im halbdunkeln Zimmer nebeneinander, draussen leuchteten die Gartenlampen; die Klimaanlage blies. Aloys spürte, dass Romano nicht schlief, "wenn ich nachts in dein Zimmer gekommen wäre, was hättest du gemacht?"

"Nichts, erinnere dich, im Allgäu schliefen wir im gleichen Zimmer."

"Ich war so verliebt in dich, dass ich nicht schlafen konnte."

"Warum hast du nichts gesagt?"

"Ich wollte dich nicht stören."

"Und jetzt?"

"Jetzt reicht mir neben dir schlafen, mit dir sprechen zu dürfen. Dass du da bist, macht mich glücklich. Im Seminar… du bist über das Seminar hinausgewachsen. Das Seminar ist für Menschen wie Fritz, die Seelsorger werden wollen, sündig, reuig, mitleidig, Kranken und Sterbenden helfen. Du bist weiter…"

"Du kennst mich nicht. Ich bin gewöhnlicher als du denkst… Ich bin eitel."

"Fritz hat gesagt, du möchtest Schauspieler werden…"

Romano lachte, "ich bin es schon lange, darum musste ich mich nicht überwinden wegzulaufen…"

"Glaubst du noch?"

"Ich kann das credo mechanisch runterleiern, doch die Worte haben keinen Sinn mehr für mich. Alles Schauspielerei."

"Meditierst du?"

"Ich versuche es. Es gibt Mönche, die meditieren… nur Mönche sind, damit sie ihre Ruhe haben. In der Kirche stehen und singen, was für dich nur noch Wörter sind… ist das ehrlich?"

"Und darum willst du für Yngve arbeiten?"

"Ich habe geträumt, dass wir alle hierbleiben."

"Auch Fritz?"

Romano lachte, "auch Fritz."

"Wenn du mich wärst, würdest du den Laden übernehmen?"

"Ich weiss es nicht; sollen wir schlafen?"

Sie schliefen. Seit Aloys für sich entschieden hatte, dass ihm Romano zu kostbar war, konnte er in seiner Nähe einschlafen. Aloys dachte an Romano, an Korn, und schlief ein.

Romano wachte früh auf und setzte sich an den Pool. Er dachte über Liebe nach… war es nicht nur ein Wort, eine Verführung, eine positive Verdrehung des Anklebens an Menschen und Dingen? Er setzte sich aufrecht hin und versuchte zu meditieren. Es gab nichts zu besprechen und niemanden, mit dem er sprechen konnte. Fritz war naiv; Aloys glaubte an die Liebe.

Zahn wird sich rausschwatzen. … eine kleine Schwäche… es ist nichts passiert… eine administrative Funktion mit einem dekorativen Titel….

Nueng, Korn, Nit und Mai füllten die Ladefläche von Yngves Pickup mit was sie für das Kloster eingekauft hatten: Mineralwasser, Fertigkaffee, Zahnbürsten, und vieles mehr. In Edelstahlbehältern war das Essen, das sie am frühen Morgen gekocht hatten. Nueng fuhr sie zu einem prächtig verzierten Thai-Kloster ein paar Kilometer von Yngves Haus entfernt. Der verantwortliche Mönch kannte Mai und Nit schon. Sie spendeten die Sachen und Geld und wurden gesegnet und mit Weihwasser besprüht. Auf dem ummauerten Klostergelände standen viele Bäume; Novizen wischten Blätter zusammen. Hunde liefen ihnen wedelnd nach. Nit und Mai führten die farangs rum. Fritz lief wie auf Eiern; waren das nicht Götzenbilder, vor denen die vier Thais knieten? Ein paar Mönche offerierten ihnen Fertigkaffee an einem Steintisch im Schatten. In der Sonne war es mörderisch heiss. Ein Mönch in einer dunkelroten Robe schrieb Romano seine Adresse auf.

Dann trugen sie das frische Essen zur offenen Halle, wo die Mönche assen. Korn, Nit und Mai halfen, den Mönchen zu servieren. Nachdem die Mönche gegessen hatten, luden sie die Freunde ein, auch zu essen. Was übrigblieb, frassen die Hunde.

Korn, Nick und Mai halfen aufräumen und abwaschen. Sie nahmen die Edelstahlgefässe wieder mit und Nueng fuhr alle zurück zu Yngves Haus.

Fritz fragte Korn, "was glauben sie?" Korn verstand nicht, was believe bedeutete. Er sagte, "wir sind Buddhisten; ich bin in einem Kloster in die Schule gegangen."

Nit zeigte Fritz das Amulett, das er um den Hals trug und fragte, ob Fritzs Kettchen mit dem Kreuz aus Gold sei.

Als Aloys und Romano schlafen gingen, lagen sie lange im Halbdunkel; es war schon spät; die Gartenlampen brannten die ganze Nacht. Die Klimaanlage surrte leise. Geckos ziepten. Aloys hätte Romano gern berührt, "kannst du dir mich vorstellen in Yngves business?"

"Korn gefällt dir?"

"Du gefällst mir besser…"

"Sprechen wir über Yngves business…"

"Ein paar schwule Clubs und ein guest house… wenn alle boys so wären wie Korn… aber die wenigsten sind wie Korn… Yngve hat versucht, eine Schule für sie einzurichten; hoffnungslos… Spielen, Alkohol, Drogen… AIDS…"

"Vielleicht kannst du ihnen helfen, indem du es weniger schlecht machst als ein anderer. Der Mönch hat gesagt, es gebe hier einen Ort zum Meditieren. Er hat mir eine Adresse angegeben, können wir morgen dorthin fahren?"

"Klar! Ist es weit weg? "

"Ich weiss es nicht… [er schaute in Google Maps] … zehn Minuten mit dem Auto."

"Buddhistische Meditation?"

"Meditation ist wie Schwimmen. Es gibt kein katholisches und protestantisches Schwimmen."

Aloys verstand nicht, was Romano meinte. Er kannte Meditation nur von den Exerzitien, die waren katholisch durch und durch, "du bist weiter als ich…"

"Schlaf gut!"

Wenn Aloys nachts aufwacht, hört er nicht, ob Romano schläft. Sein Atem ist so leise. Betet er noch? Hat er nicht gesagt, Worte bedeuten ihm nichts mehr? Unter Meditation stellte Aloys sich schlanke junge Frauen vor, die im Schneidersitz dasitzen mit nach oben offenen Handflächen auf den Knien. In den Exerzitien schwiegen die Seminaristen, beteten stumm, dachten über eine Bibelstelle nach. Das erste Jahr war es eine gute Erfahrung. Im zweiten Jahr merkte Aloys, dass die Patres darüber redeten, was die Seminaristen mit ihnen besprachen. Wurde man bestraft, wenn man nicht log? Aloys verlor das Vertrauen, aber dachte, nach dem Seminar… Er sah sich in einem Andendorf Indiokinder unterrichten. Er lernte Spanisch nebenbei. Es war nicht schwer. Wenn Aloys noch etwas glaubte, würde er glauben, dass der Herr ihn als Missionar zu Yngves boys gesandt hat?

Romano war weiter… Aloys verstand Romano nicht; glaubte er oder glaubte er nicht? Warum meditierte er, wenn ihm das credo nichts mehr sagte?

Am Morgen fuhr Nueng Romano und Aloys an die Adresse, die der Mönch Romano aufgeschrieben habe. Es war ein buddhistisches Meditationszentrum. Der Mönch, der mit Romano im Kloster gesprochen hatte, sagte zu Romano auf englisch, "wenn du hierbleiben willst, bist du willkommen."

"Was kostet es?"

Der Mönch lachte, "nichts. Es gibt Frühstück und Mittagessen und du kannst hier wohnen."

"Wann darf ich kommen? Wie lange darf ich bleiben?"

"Es hat eine leere Hütte für dich; du kannst so lange bleiben, wie du willst."

"Dann komme ich morgen, wenn ich darf."

"Gut, ich zeige dir deine Hütte."

Es war ein grosses Gelände von weissen Mauern umgrenzt. Die Hütte war ein sechs Quadratmeter Holzhäuschen auf Stelzen mit einer Matte zum Schlafen, einer kleinen Toilette und Dusche. Von der Decke hing ein Moskitonetz. Der Mönch sagte, "brauchst du einen Ventilator?"

"Ja, gern, ich bin die Hitze noch nicht gewohnt."

"Komm morgen um acht, dann zeige ich dir, wie es hier funktioniert. Ich bin Phra Niti, der Lehrer."

Romano verhielt sich, als hätte er erwartet, dass sich alles zwanglos füge. Im Auto fragte Aloys Romano, "freust du dich?"

"Ja, ich habe davon geträumt. Phra Niti versteht mich."

"Sind für dich alle Religionen gleich?"

"Nein, alle Meditationen sind gleich. Das ist kein Kloster, sondern ein Meditationszentrum. Das ist, was ich gesucht habe. Ich habe im Internet darüber gelesen."

"Was bringt dir Meditation?" Aber Nueng war schon am Parkieren unter den Bäumen vor Yngves Haus.

Vor dem Einschlafen fragte Aloys Romano wieder, "was bringt dir Meditation?"

"Für mich ist es wie eine Heimkehr, als hätte ich das schon immer gewollt. Ich bin nur glücklich, wenn ich meditiere …"

"Ich verstehe nichts. Was machst du, wenn du meditierst? Betest du?"

"Nein. Eckhart sagt, aller stillest stân und aller lêrest ist dâ dîn allerbestz. Ich mache nichts; es kommt von selbst."

"Ich verstehe nichts. Du bist weiter als ich."

"Schlaf gut!"

Romano schlief lange nicht. Brauchten Aloys und Fritz seine Hilfe? War es nicht egoistisch, sich in das Meditationszentrum abzusetzen? Was oder wem nützte Meditation? Aber Meister Eckhart sagte, der sehzt staffel ist dez hertzen ruowe und fride, daz chein liep noch leyde mag ez bewegen noch betrueben. Das wollte Romano erreichen. Romano hatte geträumt, dass er unter tropischen Bäumen sitzend meditieren würde. Romano vertraute Phra Niti.

Romano dachte an Fritz. Romano ahnte, dass Yngve Korn dafür bezahlte, dass er sich um Fritz kümmerte. Korn war ein Profi und doch vielleicht, was Fritz im Augenblick brauchte. Sex hatte Romano nicht immer abgestossen, doch… Romano wagte nicht zu denken, dass er ein Heiliger werden wollte.

Am andern Morgen fuhr Nueng sie zum Meditationszentrum. Korn, Mai und Nit wussten, was Romano brauchte: eine Decke und ein Kissen, Seife, Zahnbürsten, Zahnpasta. Dusch-Gel, Shampoo, Deo, Ohrenstäbchen, Rasierschaum, Wegwerf-Rasierer, kleine Päckchen Soyamilch. Unterwegs kauften sie noch Trinkwasser und Früchte für das Zentrum, und hielten bei einem offenen Laden, wo es graue Pyjamas gab. Romanos Grösse gab es nicht; Korn sagte, sie würden Romanos Grösse bis morgen nähen. Erwartete Romano, dass es so lief? Hatte er alles schon geträumt?

Im Zentrum war es wie im Seminar: Fritz, Korn, Mai, Nit, Nueng und Aloys waren die Laien, Romano war, um wen es ging. Eine Frau in grauem Pyjama sagte Aloys auf englisch, er solle sich keine Sorgen machen, sie würde auf Romano achtgeben wie auf einen eigenen Sohn. Korn, Mai und Nit tauschten mit ihr ihre Whatsapp Nummern aus. Romano dankte Aloys und liess Yngve danken, doch Aloys spürte, dass Romano froh war, sie loszuwerden.

Auf dem Heimweg sagte Korn Aloys, dass Mai und Nit sich regelmässig um Romano kümmern würden. Romano war Aloys und Fritz entglitten. Sie brachten die grauen Pyjamas am nächsten Tag. Die nette Frau sagte, "ich gebe sie ihm. Wir wollen ihn nicht stören."

Romano schickte Aloys eine Message, "danke für die Kleider. Ich schalte mein Handy ab. Alles gut." Romano atmete auf. Endlich war er allein. Er faltete die Decke, die die Thais ihm gekauft hatten und kniete darauf. Aller stillest stân und aller lêrest ist dâ dîn allerbestz. Es war heiss, doch er spürte es nicht.

Einige Tage vergingen. Aloys und Fritz hörten von Romano nur über Mai und Nit, die ihm Trinkwasser und Früchte brachten. Yngve sagte Aloys, dass sein Partner im Spital sei.

Korn schlief mit Fritz und lachte Aloys beim Frühstück an, "willst du eine Massage?" Aloys konnte sich nicht entscheiden, ob er wollte oder nicht.

Fritz ass fried rice egg mit gesundem Appetit. Mal war er ein fröhlicher junger Mann, dann wieder schlich er herum mit dem schwärzesten Gewissen der Welt. Er fragte Aloys, "was soll ich machen?"

"Willst du zurück ins Seminar, oder in ein anderes Seminar?"

"Aus mir wird nie ein guter Priester."

"Du meinst wegen Sex?"

"Ja."

"So wie ich es verstehe, dürfen Priester nicht heiraten, aber sie müssen nicht keusch leben. Auch ein Mann, der onaniert, kann ein guter Seelsorger sein."

"Ich kann nicht leben ohne Sex."

"Orthodoxe Priester dürfen heiraten, reformierte Pfarrer auch, und trotzdem kümmern sie sich nicht schlechter um ihre Gemeinden als katholische Pfarrer."

"Ich habe den Respekt vor mir selbst verloren. Ich bin nicht mehr der Mensch, der ich sein wollte."

Aloys imitierte Romano, "Gott hat dich erniedrigt, damit du deinem Nächsten besser dienen kannst."

"Glaubst du das?"

"Ich glaube, das ist, was Romano sagen würde."

"Romano will mich nur trösten. Einmal wollte mir ein Mann Geld geben, damit ich mit ihm Sex machte, aber ich habe es nicht gemacht. Was würdest du tun, wenn du mich wärst?"

Korn kam und schlug vor, an den Strand zu gehen wollten. Es war schon warm. Nit und Mai kamen mit und alle spielten Volleyball mit ein paar andern jungen Männern. Nachher assen Fritz und Aloys Kokosnuss-Eis, die Thais assen Durian-Eis. Jeder fragte Aloys, "hast du einen Freund?" und Aloys antwortete, "ich bin verliebt." War er in Romano verliebt oder in Korn?

Als sie zurückkamen, war Yngve da und sagte, dass sein Partner im Spital in der Intensivstation liege. Aloys verstand, dass es hoffnungslos war. Wieder fragte Yngve ihn, "willst du meinen Laden hier übernehmen?"

"Kann Korn mir helfen?"

"Korn ist ehrlich und intelligent. Aber sobald er die Schulden seiner Eltern bezahlt hat, will er ins Kloster zurückgehen. Frag ihn, von mir aus ist es in Ordnung."

Aloys fragte sich, "bin ich Don Bosco?" Kann man hundert boys managen und ein anständiger Mensch bleiben? Warum sollte Aloys das versuchen? Was, wenn er nein sagte? Kann Yngve seinen Laden verkaufen? Ist nicht noch ein Polizeioffizier still beteiligt? Würden die boys Aloys als neuen Boss akzeptieren? Würde er sich mit Ober- und Unterwelt arrangieren können wie Yngve? Will Aloys, oder soll er, möchte er? oder kann er den hundert boys in copy Calvin Klein Unterhosen nicht widerstehen? Als Korn an den Pool kam, fragte Aloys ihn, "wenn ich Yngves business übernehme, hilfst du mir? Yngve hat mir gesagt, dass du ins Kloster zurückgehen möchtest."

"Ich kann dir helfen, bis du mich nicht mehr brauchst. Wenn ich die Schulden meiner Eltern bezahlt habe, möchte ich vielleicht ins Kloster zurück. Hast du Fritz schon gefragt, ob er dir hilft?"

"Fritz?"

"Fritz kann das besser als du."

"Romano könnte es am besten."

"Romano kommt nicht zurück. Frag Fritz."

Aloys fragte Fritz. Fritz traute sich nichts zu, aber wollte arbeiten, sofort! gleich was!

Am nächsten Tag fuhren Korn, Fritz und Aloys nach Bangkok. Fritz war aufgeregt; Korn und Aloys kannten die soi schon. Ein kleines abgewinkeltes Gässlein, das von der Surawong Strasse zur grossen Rama IV Road führte. Schmale drei-bis-fünfstöckige Häuser, die Fassaden mit Leuchtreklamen bedeckt. Yngve sass mit einem Teller und einem Glas vor der Bar an einem Tischchen. Er sah nicht gut aus. Einer seiner lovers führte Fritz und Aloys durch die Clubs und stellte ihnen die mamasans vor und einen Buchhalter. Die meisten boys waren noch in den Schlafräumen über den Baren. Einige huschten in Unterhosen oder mit einem nassen Tuch um die Hüften in oder aus der Dusche, andere schliefen zu zweit auf alten Militärbetten oder lagen auf Matratzen am Boden. Wer schon wach war, spielte mit dem Telefon. Überall hingen Kleider, weil es keine Schränke hatte oder zum Trocknen. Diese Jungen sahen nicht aus wie die fröhlichen freelancers, die am Jomtien Strand Volleyball spielten. Aloys war nie in einem Gefängnis gewesen, aber die Atmosphäre war, wie er sich ein Zuchthaus vorstellte: Elend, Armut, frustrierte Hoffnungen, auch wenn ein paar aufgewecktere boys rumalberten. Fritz wusste nicht wohin schauen, so viele junge Männer in Unterhosen, die ihn und Aloys anschauten und fragten, "hallo, wie geht es dir? hast du einen boyfriend? kann ich dein Freund sein?"

Jetzt am späten Nachmittag, wo es draussen hell war, sahen die Clublokale elend aus. Ohne Musik und farbige Lichter… es roch nach abgestandenem Rauch, was nicht weisser Plastikmarmor war mit Brandlöchern, war schwarz gestrichen. Alles sah schmutzig aus. Ein paar boys und captains hingen schon rum. Im Licht der Neonröhren sahen sie verdorben aus.

Yngve lud Aloys, Fritz und Korn in der Bar zum Essen ein und fragte Aloys, "übernimmst du meinen Laden?"

"Wenn Korn mir hilft, einverstanden. Fritz machst du mit?"

"Gern, was kann ich machen?"

"Korn, du und ich… zu dritt schaffen wir das."

Obwohl der Laden so hoffnungslos aussah… war es nicht ein Abenteuer? Zwei Seminaristen und einer, der Mönch werden wollte… Aloys fragte Yngve, "wie geht es deinem Partner?"

"Er liegt im Samitivej Spital, in der Intensivabteilung. Ich war heute morgen dort. Er hat mich nicht mehr erkannt."

"Wann fangen wir an?"

"Ihr könnt im Guesthouse wohnen, bis ihr euch eingerichtet habt. Geht nachher hin."

Yngve sagte etwas zu Korn auf Thai. Aloys kannte das Guesthouse bereits; es war ein bescheidenes Hotel, wo ein paar ältere massage boys anspruchslose Gäste verwöhnten. Aloys und Fritz schauten sich die Zimmer an. Grosse Spiegel, abgenützte Betten, mit Klebband geflickte Klimaanlagen, billige Röhrenfernseher, die Wände Holzimitation. Die alten boys lachten: Khun Aloys, Khun Fritz und Khun Korn waren die neuen Bosse.

In Yngves Büro gab es einen day accountant und einen night accountant. Jede mamasan hatte ein paar captains… Kellner, Köche, Putzer, securities… unzählige Angestellte. Wie konnte Yngve diesen Laden führen? Aloys, Fritz und Korn blieben mit Yngve in der Soi und schauten dem Betrieb zu, bis Yngve zu Nueng sagte, "bring sie nach Hause!"

Aloys schlief im Auto an Korn gelehnt. Aloys' einziges Problem war, dass Korn bei Fritz schlief.

Am nächsten Mittag fingen sie an.

Fritz sagte, "meine Eltern haben eine Wirtschaft, das hier ist nicht viel anders, nur grösser." Er freute sich darauf, etwas zu tun, ob es ein Bauernhof war, oder ein Bordell kümmerte ihn nicht, das Wichtigste war, beschäftigt zu sein. An früher wollte er nicht denken. Er klammerte sich an Korn, der vier Jahre älter war. Arbeiten, nicht denken!

Korn hätte es auch allein gekonnt, merkte Aloys. Alle respektierten Khun Korn. Fritz konnte mit Geld umgehen. Yngve sass vor der Bar, rauchte und trank Bier und verriet ihnen die Geheimnisse des Geschäftens in Bangkok. Für Yngve waren die boys ein grosses Orchester, dass er dirigierte. Er hatte die Ideen; sie führten sie aus. Yngve stellte die drei dem stillen Partner vor, einem Polizeioffizier. Korn verstand alle diese Dinge, ohne darüber zu sprechen. Yngve und Aloys gingen zur Militärbank; Yngve gab Aloys Unterschrift für seine Konten; Aloys war versucht, als erstes Korns Schulden zu bezahlen, aber er wagte sich nicht.

Nicht alle boys waren hässlich. Korn stellte Aloys einen hübschen jungen Mann vor, der sich frisch beworben hatte, "willst du eine Massage?"

"Kann er bei mir schlafen? Ich mag nicht immer allein schlafen."

Tan schlief mit Aloys, bei Aloys; er hatte ein hübsches Gesicht und einen schönen Körper. Es war nur Sex. Aloys spürte, dass er für Tan irgend jemand war, mit dem er Sex machte. Ohne Widerwillen und ohne Zuneigung.

Lieber wäre Aloys, Korn würde bei ihm schlafen, oder am liebsten Romano, auch ohne Sex. Ein paar Tage schlief Tan bei Aloys, dann wollte er ein iPhone. Korn sagte nein und fand einen anderen neuen Jungen, der Aloys' Typ war: schlank, jung, sportlich. Nach ein paar Erfahrungen lernte Aloys, dass Sex sich bestellen liess wie ein Teller pad thai. Korn gefiel Aloys besser als diese boys. Aloys war auf Fritz eifersüchtig, obwohl er verstand, dass Fritz Korn brauchte.

Sie lernten die Routine von Yngves Laden. Die ersten Tage glaubte Aloys, jeder boy sei ein gefallener Engel, der sich für seine Familie im Nordosten aufopfert; dann lernte er, dass jeder junge Mann anders war: Es gab boys, die mit ihrem Geld ihre Familie ernährten und ihre Geschwister in die Schule schickten, andere verspielten, was immer sie verdienten, oder gaben ihr Geld für Drogen aus.

Die Clubs funktionierten nach einer in Stein gemeisselten Ordnung, die davon ausgeht, dass alle Menschen Schlitzohren sind. Die boys versuchen, die captains aufs Kreuz zu legen; die captains die mamasans. [Die mamasans den Boss.] Die mamasans büssen die boys und die captains, wenn sie zu spät kommen oder zu wenig Umsatz machen. Der Boss muss unerbittlich geldgierig sein und gleichzeitig grosszügig Geld für Arztrechnungen, Begräbnisse, Heiraten, Mönchsordinationen leihen. Die boys sind beim Club verschuldet und träumen von einem reichen Schwulen, der ihre Schulden bezahlt und sie nach Amerika oder Deutschland mitnimmt. In der Soi war Khun Korn bald die höchste Instanz nach Yngve, der sich für nichts mehr interessierte. Korn konnte lächelnd nein sagen und wurde respektiert dafür.

Aloys genoss mit Korn zu arbeiten. Korn wusste, dass Fritz ihn brauchte und lachte, weil Aloys ihn begehrte. Bedeutete Fritz Korn mehr als Aloys? Waren Fritz und Aloys für Korn zwei dumme farangs, die sich für schlau hielten, weil sie weniger arm waren als er? Dass Korn Aloys behandelte, als wäre er Aloys älterer Bruder, gefiel Aloys. Spielte Korn mit Aloys? War Korn weiter?

Tag und Nacht meditieren zu dürfen, war was Romano wollte. Phra Niti sprach jeden Tag mit Romano und gab Romano ein Buch der ersten Lehrerin des Zentrums und die Zusammenfassung der geistigen Zustände [die man beim Meditieren antrifft]. Beim Essen sprachen andere Meditierende Romano an; die Gespräche störten Romano. Er ass lieber, ohne mit jemandem zu sprechen.

Romano vermisste Aloys. Romano hätte Aloys gern eingeladen, im Zentrum meditieren zu lernen, doch hatten sie im Studium nicht gelernt, allen vorgelegt, niemandem auferlegt? Romano hoffte, dass die schwulen Clubs Aloys kurieren würden, wie eine Woche in einer Schokoladefabrik Schokoladesucht heilt. Wieder fragte Romano sich, ob nur zu meditieren nicht egoistisch war. Seine Vorbilder waren Heilige; mit Aloys in Bangkok zu arbeiten, wäre eine Qual. Im Meditationszentrum ging es ihm gut. Phra Niti unterrichtete ihn zurückhaltend und beschützte ihn. Ein junger Mönch, der im Meditationszentrum lebte, lehrte Romano Thai.

Mai textete Aloys, dass er Romano besuchen dürfe, wenn er möchte. Nueng fuhr Aloys hin. Romano hatte Sternen in den Augen, "es geht mir gut, danke dass du mich hierher gebracht hast. Wie geht es dir und Fritz?"

Aloys erzählte Romano, was sie machten, "ohne Korn könnten wir es nicht."

"Korn ist ein guter Mensch; unterschätze ihn nicht!"

"Er möchte ins Kloster zurück."

"Ich verstehe ihn."

"Möchtest du auch in ein Kloster?"

"Nein, hier bin ich zufrieden. Ich habe mein Telefon abgestellt."

"Gibt es etwas, was ich dir bringen kann?"

"Die Leute hier kümmern sich um mich. Ich lerne Thai."

"Du siehst gut aus."

"Danke, ich war ein paar Tage krank; ich bin die Hitze nicht gewohnt. Jetzt weiss ich, dass ich mich unter die Bäume setzen muss oder in die Meditationshalle, wenn es in dem Häuschen zu heiss wird."

"Brauchst du eine Klimaanlage?"

"Ich habe einen Ventilator. Ich will mich gewöhnen. Es ist eine Veränderung, die mir guttut. Die Hitze lehrt einen loslassen."

"Ich habe mit ein paar boys Sex gemacht. Siehst man es mir an?"

"Sex ist die Regel. Was ich mache, ist die Ausnahme."

"Ich schäme mich."

"Im Seminar habe ich mich verloren gefühlt. Niemand verstand mich; nichts hatte einen Sinn. Jetzt geht es mir gut. Ich mache, was ich will. Vielleicht weisst du in ein paar Monaten, was du willst, und machst es."

"Glaubst du?"

"Jetzt hast du die zwei Extreme ausprobiert: das Seminar und die schwulen Clubs, vielleicht findest du eine Mitte, die für dich funktioniert."

Ein Junge rief Romano. Romano liess Fritz grüssen. Aloys verabschiedete sich. Würde er es hier aushalten? Er ging zum Auto. Nueng sass unter einem Baum und rauchte. Sie fuhren zurück nach Bangkok. Nueng sagte, "dein Freund ist ein guter Mensch."

Romano war ein guter Mensch; er war weiter als Aloys. Könnte Aloys meditieren lernen?

Als sie in Bangkok ankamen, sass Yngve nicht auf seinem Platz vor der Bar. Eak von der Bar sagte, "er ist ins Samitivej Spital gefahren."

Yngves Partner war gestorben. Als Yngve zurückkam, benahm er sich, als wäre nichts geschehen. Er sass vor der Bar, trank Heineken, rauchte, redete auf Aloys ein. Yngve fragte Aloys, "wie lange mache ich es noch?"

Gegenüber in der Soi sassen auf weissen Plastikstühlen die eben erst aufgestandenen fröhlichen Future Boys und die kräftigen jungen Männer der Bonny Massage, die schon ein paar Kunden hinter sich hatten. Teller mit Resten fried noodles shrimps standen auf Plastiktischchen. Dass einer der Bosse von gegenüber gestorben war, kümmerte sie nicht. Die Bosse liessen sich im Mercedes rumfahren; wer hat Mitleid mit einem Boss?

Wofür hatte Aloys Theologie studiert? Wenn jemand starb, wusste er nicht mehr zu sagen als ein Future Boy. Unterdessen stellten Eak von der Bar und seine Mannschaft auf dem Trottoir einen kleinen Altar mit Pauls eingerahmter Fotografie auf. Die boys standen Schlange, es waren viele, um Yngve zu kondolieren. Männer in schwarzen Anzügen schleppten Kränze herbei und kondolierten für ihre Bosse Khun Yngve, der trank und rauchte. Yngve schloss die Clubs für heute. Korn bestellte Essen und Trinken für alle. Als Korn bei Yngve stand, sagte Yngve zu Aloys auf deutsch, "ich weiss, was das Erste ist, was du machst, wenn ich abkratze. Du bezahlst Korns Schulden. Richtig?"

"Ja."

Yngve liess Korn rufen, "wieviel Schulden hast Du noch?"

"Mehr als eine Million Baht khrap."

"Ich mache bald den Schirm zu. Wenn Khun Aloys dir morgen die Schulden bezahlt, arbeitest du weiter mit ihm?"

"Versprochen, Khun Yngve."

Bei Pauls Begräbnis sah man schwarze Limousinen, grüne und weisse Uniformen; die boys kamen in Tuk-tuks und sassen in der Trauerhalle hinter den VIPs, für die Stühle mit weissen Überzügen reserviert waren. Ein katholischer Priester zelebrierte an einem blumengeschmückten Altar auf Thai. Er hatte ein Mikrophon. Solange er sprach, wurde die Thai Musik abgestellt; kaum sagte er Amen, drehte der Diskjockey an seinem Mischpult die Musik wieder auf.

Aloys bezahlte Korns Schulden wie versprochen. Korn fuhr nach Hause, um seine Eltern zu besuchen. Würde er zurückkommen? Yngve drängte, dass Aloys und Fritz sich Löhne auszahlten, obwohl ihre Auslagen von den Clubs getragen wurden.

Korn kam zurück. Fritz, Korn und Aloys zogen in Pauls Apartment an der Surawong Strasse. An den Wänden hingen explizit schwule Bilder, jede Lampe wurde von einem nackten Jungen aus Marmor getragen; den Clubtisch trugen zwei kniende Jungen aus Bronze. Es hatte drei Schlafzimmer, das grösste mit einem Spiegel über dem Bett und einem Jacuzzi im Badezimmer, eines mit einem riesigen goldenen Vogelkäfig um ein rundes Bett, daneben ein unterwasser beleuchteter Jacuzzi. Das dritte Schlafzimmer hatte kein Fenster und war für Sex eingerichtet. Fritz und Korn bezogen das grössere Schlafzimmer, Aloys schlief im Vogelkäfig, selten allein, denn bis sie nach Hause gingen, waren sie müde, angetrunken und hatten zwei live-shows gesehen. Sie kamen meist so früh am Morgen nach Hause, dass der boy, den Aloys mitgenommen hatte und Aloys nach einer Dusche vorher und einer Dusche nachher schnell einschliefen. Aloys verliebte sich nicht; das Heer verschwitzter junger Männer in copy CK Unterhosen stumpfte ihn ab.

In einem nur über den Küchenbalkon erreichbaren nicht gekühlten vier Quadratmeter-Raum wohnte eine maid mit einem kleinen Knaben, die Paul den Haushalt gemacht hatte. Ihr Name war Win, der Knabe hiess Nu. Sie bat Aloys, weiterarbeiten zu dürfen. Wenn Win in der Wohnung arbeitete, war Nu bei ihr. Die expliziten Bilder schienen ihn nicht zu beeindrucken; er schloss sich gleich Korn an.

Fritz hatte es gut; Aloys neidete ihm Korn. Fritz trug Verantwortung und nahm zu. Der Wirt erwachte in ihm. Die boys waren seine Kühe. Die Gäste waren die Städter auf seiner Alp, denen er statt kuhwarmer Milch 100 Pipers Whiskey mit Coke und eimerweise Eis verkaufte. Wäre Fritz Priester geworden, hätte er eine Schule gegründet oder ein Waisenhaus.

Korn lachte, weil aus dem scheuen Fritz ein Boss wurde. Korn veränderte sich nicht. Nur wenn er mit Nu spielte, hätte man den wirklichen Korn sehen können. Er schickte Nu in die Schule. Korn stand früher auf als Fritz und Aloys und frühstückte mit Win und Nu. Korn war rätselhaft, überlegen… fast wie Romano, von dem Aloys nichts hörte.

Romano kämpfte mit körperlicher Unruhe, die ihn zweifeln liess, ob er auf dem richtigen Weg sei. Führte, was ihm Phra Niti empfahl, weiter? War Yoga nicht etwas Indisches? Hatte im Schneidersitz zu meditieren Vorteile? War Romano am richtigen Ort? Würde er in einem katholischen Orden bessere Anleitung erhalten? Hatte er sich überschätzt? Phra Niti lehrte Romano die Zusammenfassung der geistigen Zustände. Welchen Sinn hatte es bei 35° in einer Hütte zu hocken und nichts zu denken? Rundum in der Welt wurde gearbeitet, und er lebte hier von Spenden. Was die westlichen Meditationsleute beim Essen schwatzten, irritierte ihn. Hielten sie ihn für eingebildet oder verrückt? Phra Niti erlaubte Romano, auf dem Balkon seiner Hütte zu essen; ein fröhlicher Waisenjunge brachte Romano das Essen in einem container.

Drei Dinge passierten fast zur gleichen Zeit: Yngve hatte einen Schlaganfall, der ihn halbseitig lähmte, Win wurde von Korn schwanger, und Yngve erfuhr, dass die leases auf den Bars und dem Guesthouse nicht erneuert würden. Der Laden würde auf die andere Seite der Surawong Strasse zügeln müssen.

Yngve wollte sich zuerst in der Gasse nicht als Krüppel zeigen, doch in Pattaya wurde es ihm zu langweilig. Nach einigen Tagen sass er wieder an seinem Tischchen mit einem seiner lovers, der ihm Zigaretten anzündete und Bier einschenkte, "ich will hier sterben, wo ich gelebt habe, nicht in Pattaya und nicht in einem Spital."

Die Clubs waren Yngves Familie. Einmal erwähnte Yngve sogar Maria, Aloys Mutter. Aloys dachte, wie schlecht muss es Yngve gehen, dass er sich erinnert, dass er noch verheiratet ist? Je länger Aloys mit Yngve vor der Bar sass, umso mehr sah Aloys, dass Yngve seine boys liebte. Betrieb Yngve ein Obdachlosenasyl für arbeitslose junge Männer, das sich mit Sex finanzierte?

Als Win schwanger wurde, regte sich Fritz auf, als hätte ihn Korn betrogen. Ein paar Nächte schlief Korn in dem fensterlosen dritten Zimmer, dann beschwichtigten muskulöse boys Fritzs Wut; und Korn landete in Aloys' Vogelkäfig. Korn und Aloys sahen die Welt mit den gleichen lachenden Augen an. Sex mit Korn war fun.

Fritz fühlte sich verwandelt. Wenn er in den Spiegel blickte, sah er einen kräftigen jungen Mann, der Geld verdiente und so viel Sex haben konnte, wie er wollte. Fritz schlief nie mehr allein. Maria Immaculata war ein Alptraum, den er abgeschüttelt hatte. Der Laden war ein Selbstläufer; es galt nur, es mit niemandem zu verderben. In einem katholischen Bauerndorf aufzuwachsen, hatte ihn auf Bangkoks geregelte Korruption vorbereitet. Starke und Schwache hatten die gleichen Rechte, nur hatten die Starken mehr davon.

developers hatten rundum alle leases aufgekauft und mauerten die Lokale zu. Dem Laden ging es an den Kragen. Die developers würden sich ihr Milliarden-Projekt nicht von ein paar schwulen Bars verderben lassen. Hinter ihnen standen zum Teil dieselben Leute, die den Laden beschützten.

Im Meditationszentrum verbreitete sich, dass Romano weiter war. farangs, die ihn kennenlernen wollten, plagten ihn. Einer der Gönner des Zentrums brachte Romano nach Sangkhlaburi, wo niemand Zugang zum Mönchsbereich hatte. Um seine Aufenthaltsbewilligung zu verlängern, wurde Romano als buddhistischer Mönch ordiniert. Für Romano bedeutete es nur, dass er komplizierte gelbe statt einfacher grauer Kleider trug. Von Zeit zu Zeit kam die Gönnerfamilie von Bangkok hergefahren, um sich zu versichern, dass es Romano gut ging. Romano wusste, wie weit der Weg war und wiederholte sich endlos, was an dir und in dir ist, es ist alles gar siech und verdorben.

Yngve starb an einem zweiten Schlaganfall, dort wo er sterben wollte, an seinem Tischchen in der Soi. Altar mit Photo, Clubs geschlossen, grosse Feier mit VIPs… Yngve sagte Aloys zuletzt, sie sollen Dream Boys verkaufen und die anderen Clubs schliessen. Yngve war die Seele und der Motor der Clubs gewesen. Ohne Yngve waren Aloys, Fritz und Korn kein Team mehr: Korn wollte mit Win und Nu nach Uttaradit ziehen. Fritz wollte Dream Boys am neuen Ort weiterführen; Aloys wollte nichts mehr. Es blieben ihm die Wohnung in der Surawong Strasse und das Haus in Pattaya.

Nueng fuhr Aloys nach Pattaya. Aloys fühlte sich wie an einem Strand angespült. Woher sollte er wissen, was er wollte? Woher wissen andere Menschen, was sie wollen? Aloys fragte Mai, ob er Romano besuchen dürfe. Mai sagte, Khun Romano sei jetzt in Sangkhlaburi, "hier war zu viel Betrieb für ihn."

Aloys wollte sofort hinfahren. Nueng sagte, sie sollten in Bangkok übernachten und dann frühmorgens nach Sangkhlaburi fahren, die Strasse sei schlecht. Aloys war es recht, Nueng wusste es besser. Wenn Aloys an Romano dachte, waren die Clubs weit weg.

Ohne Korn war Aloys Vogelkäfig leer. Aloys ass mit Fritz im Mango Tree Gartenrestaurant. Fritz brachte einen kräftigen jungen Mann mit, seinen aktuellen lover. Nummer 39, ein freundlicher boy aus Klong Tan Nuea, der ein besseres Schicksal verdient hatte. Fritz sprach über den geplanten Umzug auf die andere Seite der Surawong Strasse; es interessierte Aloys nicht mehr, "kannst du mir Bank schicken, damit ich nicht allein schlafen muss?"

Bank arbeitete in X Boys. Er war tätowiert wie ein Yakuza und sprach etwas englisch. Aloys hatte schon mit ihm geschlafen. Bank nervte Aloys nicht. War Bank ähnlich wie Korn aber jünger?

Fritz fragte Aloys, "erinnerst du dich manchmal an Luzern und das Seminar?"

"Es ist wie nicht mehr wahr. Ich fühlte mich so allein und sehnte mich nach einem Freund und auch nach Sex, ich gebe es zu."

"Ich wollte nur Sex, aber ich traute mich nie. Alles schien verboten. Thailand ist eine andere Welt."

Nummer 39 rief Bank an und bestellte Essen für alle. War Aloys mal Nacht für Nacht allein gelegen und hatte sich nach irgendeinem anderen Menschen gesehnt? Was ihnen damals unerreichbar schien, konsumierten sie nun selbstverständlich. Waren sie vom Weg abgekommen?

Das Essen und Bank kamen gleichzeitig. Bank setzte sich lächelnd neben Aloys. Aloys fragte ihn, "willst du morgen mit Nueng und mir nach Sangkhlaburi mitkommen? Wir können an der River Kwai Brücke essen."

In der Surawong Strasse lachte Bank über den Vogelkäfig. Nachts stand Bank auf und spielte ein game auf dem Sofa. Als Aloys erwachte, schlief Bank auf dem Sofa mit seinem alten iPhone in der Hand. Aloys nahm es ihm aus der Hand und steckte es an das Ladegerät.

Dass Aloys gross war, gefiel Bank, die helle Haut, Aloys' Lächeln. Als sie zusammen schliefen, behandelte Aloys Bank wie einen Freund und schenkte ihm fünftausend Baht. Aloys war kein Boss. Bank erfasste, dass Aloys jemand brauchte, der ihn bedingungslos liebte, und war entschlossen, sich Aloys' Liebe zu verdienen.

Auch von Bangkok war es weit nach Sangkhlaburi. Sie assen am River Kwai und machten ein paar selfies auf der Brücke. Auf der Weiterfahrt sass Bank hinter Aloys im Pickup und erzählte ihm, wo er herkommt, dass er Englisch von amerikanischen Soldaten in Korat gelernt hat; wie er nach Bangkok kam; wo er vor X Boys arbeitete. Obwohl Aloys ihn bezahlte, war Bank wie ein Freund. Weil er jünger und kleiner war als Aloys?

Es wurde schon dunkel, als sie endlich in der Nähe von Sangkhlaburi ankamen. Mit Glück fanden sie ein Resort mit ein paar vernachlässigten Bungalows, wo sie übernachten konnten. Zu essen gab es im Resort nichts mehr. Nueng und Bank fuhren zum nächsten Dorf, einem Armeeposten mit ein paar Hütten drum herum, um street food einzukaufen. Sie waren schon pi und nong, älterer und jüngerer Bruder. Nach langer Zeit kamen sie zurück mit fried rice egg und Coca-Cola Dosen und fragten Aloys, "kannst du das essen?"

Das Essen war besser als Aloys erwartet hatte. Nueng und Bank brachten mosquito coils mit, denn es wimmelte von Mücken im Zimmer trotz dem Deckenventilator, der auf fünf gestellt war.

Während Nueng duschte, sagte Bank zu Aloys, "ich will dir gehören."

Sagte das nicht jeder passive Junge, wenn er sich auszog? In der Unbedingtheit seiner Aufmerksamkeit für Aloys war Bank wie Korn. Aber Korn war geheimnisvoll, verriet nichts über sich, während Bank ein offenes Buch war.

Nueng schlief auf einem schmalen Bett beim Fenster. Bank schlief bei Aloys, als wären sie schon lange zusammen. Im Schlaf drehte Bank sich zu Aloys und legte einen Arm über ihn.

Am Morgen kauften Nueng und Bank im Dorf für das Kloster ein und liessen sich den Weg erklären. Sie mussten ein paar Kilometer zurückfahren, dann in den Wald und einen Fluss auf einer Furt durchqueren; zum Glück waren sie mit dem HiLux hergekommen, dem Wasser und grosse Steine nichts anhaben konnten. Schliesslich kamen sie vor einer sala an, einem Holzgebäude im Wald, ein weites Dach auf Holzsäulen ohne Wände. Von einem Kloster oder einem Tempel war nichts zu sehen. Nueng fragte eine Nonne nach Khun Romano.

"Ich lasse ihn rufen."

Freute Romano sich, sie zu sehen? Er trug Mönchskleider. Nueng und Bank knieten nieder und verbeugten sich vor Romano. Romanos Gesicht war heiter und entspannt.

Aloys fragte Romano, "bist du jetzt buddhistischer Mönch?"

"Ja, sonst hätte ich nicht in Thailand bleiben können. Es ist nicht wichtig. Hier habe ich Ruhe."

Sie setzten sich um einen kleinen Tisch. Romano bot ihnen Fertigkaffee an und verteilte Kaffeepulver und heisses Wasser in vier mugs.

Aloys sagte, "Yngve ist vor einem Monat gestorben. Bank ist ein boy von X Boys; er spricht etwas Englisch."

"Tut mir leid, dass dein Vater gestorben ist. War er krank?"

"Er hatte zwei Schlaganfälle. Er hat geraucht und getrunken und wollte sich nicht ändern."

"Wie geht es Fritz?"

"Er übernimmt die Clubs; er ist glücklich."

"Seine Eltern hatten eine Wirtschaft; es passt zu ihm. Im Seminar war er unglücklich."

 "Sprichst du jetzt Thai?"

"Ein paar Wörter. Hier sind nur Leute, die meditieren wollen. Wir gehen nicht raus."

Aloys fragte Romano wieder, "was bringt dir Meditation?"

"Ruhe und Frieden… [Romano lachte] …. mehr nicht."

"Ist Buddhismus nicht Nihilismus?"

"Ich weiss nicht, was Nihilismus ist… du hast recht: wir haben es im Studium gelernt, aber ich habe es gleich wieder vergessen; eine billige Philosophie. Buddhismus ist wie Eckhart: Daz ist diu allernêhste armuot des geistes, wan ez ist nieman rehte arm, wan der niht enwil unde niht enweiz unde niht enhât, weder ûzwendic noch inwendic."

"Verstehst du das?"

"Armut ist ein Prozess… Wissen ist statisch; entwollen, entwissen, enthaben sind dynamisch…"

"Ich verstehe nichts. Du bist weiter als ich."

"Du kannst Klavierspielen, ich nicht. Kann man Klavierspielen lernen, indem man Bücher über Klavierspielen liest, über Klavierspielen diskutiert, alles über Klavierspielen weiss? Wissen ist überschätzt."

"Ich verstehe nichts. Du bist weiter als ich."

"Wenn ich weiter wäre, könnte ich es dir so erklären, dass du es verstehst."

"Was soll ich jetzt machen? Ich habe die Wohnung in Bangkok und das Haus in Pattaya geerbt, aber nichts interessiert mich."

"Zieht es dich in die Schweiz zurück? Willst du noch Priester werden?"

"Nein, ich bin wie ein angespültes Stück Holz. Hast du von mir geträumt?"

"Ja, dass du Schule gibst."

"Indiokinder unterrichten in den Anden, das war mein Traum, was ich nach dem Seminar machen wollte. Ich habe ein bisschen Spanisch gelernt dafür!"

"Jetzt kannst du es machen!"

Romano sprach mit Nueng und Bank auf Thai. Hatte Aloys gehofft, dass Romano ihm sagen würde, was er machen soll? Wenn Romano ihn als Lehrer sah…

Bevor sie einschliefen, fragte Bank Aloys, "Wenn du Lehrer wirst, darf ich dann bei dir bleiben?"

Schon halb im Schlaf sagte Aloys, "ja…"

Aloys erwachte früh. Hat er sich entschieden, Lehrer zu werden und mit Bank zusammenzuleben? Wo auf der Welt braucht es einen schwulen Lehrer wie Aloys, und warum soll er mit Bank zusammenbleiben? Ist Bank nicht ein boy wie viele andere? Liebt Aloys ihn? Liebt Bank Aloys? Neben Bank zu liegen, fühlte sich natürlich an, reicht das? Ist das Liebe? Ist Aloys immer noch in Romano verliebt?

Die Frauen vom Resort kochten Frühstück für Aloys, Nueng und Bank. Nudelsuppe oder Reissuppe? Soyasauce und feingeschnittene Chilis. Das Essen war gut. Man spürte, dass man in den Bergen war. Adler kreisten. Es war still; von Zeit zu Zeit hörte man einen Lastwagen mit Baumstämmen aus Myanmar auf der Hauptstrasse. Warum nicht hierbleiben? Hatte Aloys irgendwo irgendwas zu tun? Hatten Romano und Bank schon über ihn entschieden?

Aloys, Bank und Nueng brachten Geschenke und Geld in das Kloster. War es ein Kloster oder eine Ansammlung von Einsiedeleien? Man sah nur ein paar Wege, die von der sala wegführten, und die Halle, wo die Mönche assen. Während sie auf Romano warteten, verstand Aloys, dass Romano ihm nicht sagen würde, was Aloys tun soll. Aloys fragte Bank, "möchtest du hier leben?"

"Es ist friedlich hier. Ich war ein Jahr in einem Kloster."

"Warum bist du nicht geblieben?"

"Meine Familie ist arm. Ich muss Geld verdienen."

Romano kam; Nueng und Bank knieten vor ihm. Aloys spürte, dass sie Romano störten, und musste ihn doch fragen, "was soll ich machen?"

"Wenn du nicht weisst, was machen, dann tu nichts."

"Bank will bei mir bleiben…"

"Bank ist gut für dich," Romano fragte Bank etwas auf Thai, "könnt ihr in Banks Dorf fahren?"

Aloys fragte Bank auf englisch, "wo ist dein Dorf?"

"In Nakhon Ratchasima."

Aloys fragte Nueng, ob sie dorthin fahren können…

Romano sagte, "fahrt nicht über Bangkok und grüsst Fritz von mir!"

Wann hatte sich Fritz letztmals so glücklich gefühlt? Er lag mit Nummer 39 und einem neuen Jungen, dessen Namen er im Lärm des Clubs nicht verstanden hatte, im Bett. Er träumte von seinem Kalb auf der Weide in Buttisholz. Der neue Junge, Chin, lag wach und spielte mit seinem iPhone. Der Boss gefiel ihm. Nummer 39 war aus dem gleichen Dorf und hatte Chin nach Bangkok gebracht. Chin vermisste seinen Hund. Er stand ans Fenster und machte ein selfie für seinen kleinen Bruder, "hast du gegessen?"

Aloys, Bank und Nueng fuhren nach Korat. Banks Dorf war ein paar offene Läden an einer Strasse, die irgendwo im Wald aufhörte, ein paar Häuser, die zu gut waren für, wo sie standen. Banks Families Haus stand auf Stelzen, nicht das ärmste Haus im Dorf, aber arm. Eine Leiter führte hinauf in einen Raum, wo alles, was sie besassen in Plastiksäcken an in die Holzwände geschlagenen Nägeln hing. Bank hatte Mutter und Vater, jüngere Geschwister, einen Hund, der ihn begeistert anbellte. Die Eltern trockneten verstohlen Tränen ab vor Freude, ihren ältesten Sohn wiederzusehen. Neben dem Haus war eine Kuh an einem Pflock angebunden; ein paar Hühner suchten Würmer. Was Aloys sah, war, was sie hatten. Aloys verstand, warum Romano ihn hergeschickt hatte. Wenn Bank Aloys liebte, wie konnte Aloys ihn zurückweisen? Seine Geschwister waren wie Bank, eine kleine Schwester hielt Aloys Hand und erzählte ihm etwas auf Thai. Aloys sah, dass sie Bank liebten, und sah in Bank ihr Haus und ihr Reisfeld, die Schuluniformen mit kurzen Hosen, die auch Bank getragen hatte. Aloys verstand, wie Bank es meinte und es rührte Aloys.

Nueng lud alle auf den Pickup und sie fuhren in eine kleine Stadt, wo es ein einfaches Hotel hatte. Sie assen zusammen. Aloys spürte, dass es anständige Eltern waren mit anständigen Kindern; alle hatten offene Gesichter. Obwohl Bank nicht effeminiert war, war es doch, als hätte er seinen Mann zum ersten Mal nach Hause gebracht. Ihre Hoffnungen richteten sich auf Aloys. Dass Aloys Bank das Essen bestellen liess, tat Bank gut.

Nachts fragte Bank Aloys, "darf ich meinen Eltern etwas Geld geben?"

Schuldete Aloys Bank für jeden Tag, den er mit ihm verbrachte, zweitausend Baht? Warum sollte Aloys ihn schlechter stellen als einen anderen boy? Aloys gab ihm zehntausend Baht. Bank gab Aloys fünftausend zurück, "das ist zuviel."

"Wieviel schickst du deinen Eltern, wenn du in Bangkok bist?"

"Alles, was mir übrigbleibt; ich verdiene nicht viel, weil ich dunkel bin und klein." Bank begann zu weinen.

"Warum weinst du?" Aloys streichelte Banks Haare, "du bist schön."

"Ich möchte bei dir bleiben."

Beim Einschlafen fühlte Aloys wieder, dass Bank sich natürlich anfühlte, als wären sie nicht zwei Personen; Banks tätowierter Körper beschützte Aloys im Schlaf.

Am anderen Tag sagte Nueng Aloys, dass Dream Boys gebombt worden waren; niemand war verletzt, "es ist gut, dass wir nicht in Bangkok sind."

Aloys rief Fritz an, der sagte, es gäbe Leute, die Dream Boys kaufen wollten. Er überlasse es dem Polizeioffizier; grosser Schaden sei nicht entstanden. Aloys wusste von Yngve, dass Bomben am frühen Morgen in Bangkok unterstreichen, dass jemand es ernst meint. Ging es Aloys noch etwas an? Aloys, Bank und Nueng blieben ein paar Tage in Korat, dann fuhren sie nach Pattaya zurück. Es gab nichts zu tun, aber Aloys merkte es nicht.

Kann Aloys sagen, wann oder warum er Bank zu lieben begann? Banks Bescheidenheit, selbstbewusste Anständigkeit, Opferbereitschaft, seine Überzeugung, dass wenn er Aloys loyal liebte, Aloys früher oder später seine Liebe erwidern müsste. Wenn Aloys Bank vor anderen Leuten berührte… Thais sind kompliziert… sagte Bank, "bitte nicht!" ohne, dass Aloys einen Hauch von verletztem ego darin hörte.

In Korat war Bank noch ein netter boy für Aloys gewesen. Im Auto sagte Bank zu Aloys, und umarmte ihn vom hintern Sitz im HiLux, "Phra Romano hat gesagt, I should take care of you." Was heisst take care auf deutsch? Sich jemandes annehmen? Für jemanden sorgen… als sie in Pattaya ankamen, war Bank Aloys' Freund.

Bank sagte zu Aloys, "ich möchte deine Mutter kennenlernen. Können wir in die Schweiz reisen?"

Die kleine Bombe erschreckte Fritz mittelmässig. Dream Boys zu verkaufen, brach ihm nicht das Herz. Der Polizeioffizier würde sich an einem neuen Guesthouse als stiller Teilhaber beteiligen. Chin war schön und liebte Fritz, weil er stark und reich war. Fritz genoss, geliebt zu werden und hatte gelernt, dass es genügend junge Männer gab, die bereit waren, ihn zu lieben. Was Zahn verfehlte, hatte Fritz richtig gemacht: In der allergrössten Not führt der Mittelweg in den Tod.

Aloys war mit Bank im Haus seiner Mutter in Meggen. Aloys Mutter sah, wie Bank automatisch die leeren Teller in die Küche trug und abzuwaschen begann, und drängte Aloys mit Bank zusammenzubleiben. Aloys und Bank würden heiraten und in Kolumbien die Leitung eines Waisenhauses übernehmen, dessen Gründer im Spital lag, weit über achtzig.

Romano sass unter einem Baum, dachte nichts, war weder glücklich noch unglücklich: Der sehzt staffel ist dez hertzen ruowe und fride, daz chein liep noch leyde mag ez bewegen noch betrueben.